Mein Leben kommt mir manchmal vor wie eine Perlenkette: Augenblick an Augenblick ist da aufgereiht. Ich kann zurückschauen, und ich sehe die Augenblicke der Vergangenheit. Ich kann auch ein wenig nach vorn schauen und ahne, da kommt gleich die nächste Perle, doch ich weiß noch nicht wirklich, wie sie aussieht, mit welchen Farben sie mein Leben schmückt. Ich weiß auch nicht, wie lang der Faden noch ist, und wie viele Augenblick-Perlen auf ihm noch Platz finden. Jede Perle kann die letzte sein. Aber – meine Perlenkette ist bunt und schillernd, neben leuchtenden Perlen haben auch dunkle und glanzlose Perlen Platz gefunden. Sie alle machen diese Lebens-Perlenkette wunderschön.
Nicht wenige Menschen verbringen ihre Zeit, indem sie nachsinnen über ihre Vergangenheit und sich ängstigen vor der Zukunft. Das ist grundsätzlich nicht falsch oder ablehnenswert, besteht unser Leben doch aus Fragmenten, die irgendwann ein Ganzes abbilden. Wenn ich auf mein Leben zurückblick, so mache ich die Erfahrung, dass vieles erst im Nachhinein deutlich wird, dass mir erst im Rückblick der Sinn erschlossen wird.
Solche Gedanken haben vielleicht auch den russischen Dichter Leo Tolstoi umgetrieben. Auf die Frage nach den wichtigsten Dingen im Leben antwortet er: „Die wichtigste Zeit ist der Augenblick. Wir haben nur jetzt Gewalt über uns. Der wichtigste Mensch ist der, mit dem du in diesem Augenblick zusammen bist. Denn vielleicht ist er ja der letzte, mit dem du zusammenkommst. Und als wichtigstes Werk nennt er: Sei gut zu diesem Menschen! Denn nur dazu hat Gott uns das Leben geschenkt.“
Es gibt dieses schöne deutsche Wort der „Vergegenwärtigung“. Das Wort „Gegenwart“ bedeutete in seinem ursprünglich mittelhochdeutschen Sinn so viel wie „Anwesenheit“. Wie anwesend bin ich also, wie anwesend ist Gott in meinem und Ihrem Leben?
Lebe, den Augenblick! – Das was du gerade tust, das ist wichtig. Immer wieder neu, dürfen wir uns dies sagen. Wer so denkt, ist mitten im Leben, ist immer voll dabei, lebt gegenwärtig. Das kann der Einkauf sein, das Gespräch mit einer Freundin, der stille Augen-Blick mit einem vorübergehenden Menschen, das augenblickliche Staunen über die Vielfalt der Natur, das Spielen mit den Kindern, die gemeinsame Zeit mit der Partnerin oder die unerwartete Begegnung.
Diese Haltung der Offenheit für den Augenblick wünsche ich uns in dieser nun kommenden Ferien- und Urlaubszeit täglich neu!