„Betrachte einmal die Dinge von einer anderen Seite, als du sie bisher sahst; denn das heißt, ein neues Leben beginnen“ – dieser Kalenderspruch von Marc Aurel hat mich zum Nachdenken gebracht. Nach einer ‚jammervollen Sitzung‘ lassen mich einige Gedanken nicht zur Ruhe kommen. Wie oft wird und wurde unser Alltagsleben als „Jammertal“ beschrieben! Die Medien machen es uns tagtäglich vor. Sie jammern über alles Mögliche, das nicht funktioniert. Wo bleibt da die Freude am Leben?
Jammern zeigt zwar kurzfristig einen „Entlastungsgewinn“, es tut gut, es ist „ansteckend“, es wirkt solidarisch. Mittelfristig verstärkt es aber negative Gefühle wie Wut und Hilflosigkeit, das Gefühl nicht wertgeschätzt und nicht gesehen zu werden.
Und das Klagen bedeutet auch eher, dass wir uns nicht für Veränderungen einsetzen, im Gegenteil, wir bleiben passiv. Vor allem ist es das Gegenteil von Kompetenz und Professionalität – also von dem, wie wir uns präsentieren möchten und sollten.
Bei all den vielen täglichen Anforderungen, Stress, Termindruck, Belastungen, Sorgen, Aufgaben, Alltags-grau …verliere ich manchmal aus dem Blick, was mir und meiner Mitwelt wirklich gut tut. Ich re-agiere dann nur noch und agiere nicht mehr bewusst. Ich werde gleichsam von außen gelebt und lebe weniger selbstbestimmt aus eigener innerer Überzeugung. So verlagern sich ungewollt die Prioritäten und mir fehlt der Abstand, die notwendige innere Distanz, die eine (selbst)kritische Reflexion erst möglich macht.
Ich habe mir angewöhnt innerlich auf Perspektivwechsel zu gehen. Es birgt für mich die Möglichkeit zum Ausstieg aus der täglichen Tretmühle, vielleicht auch heraus aus der ‚Jammerschleife‘ zu kommen. Wir alle kennen wahrscheinlich Situationen, in denen wir so sehr in unseren Problem-Gedanken gefangen sind, dass wir vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen. Ich weiß, die Farben unseres Lebens sind facettenreich, und immer gibt es da auch grau und schwarz. Ich glaube, diese Zeiten kennt jede und jeder von uns, vor solchen Momenten ist niemand sicher: Doch – der Lichtstrahl der Hoffnung durchscheint immer wieder mein und dein Leben. Ich darf davon ausgehen, dass plötzlich wieder Farbe ins Leben kommt, dass die Sonne wieder durchbricht und mir ein Lächeln ins Gesicht zeichnet.
Bewusst die Perspektive zu wechseln und auf eine Veränderung (und sich selbst) aus der Vogelperspektive zu blicken hilft, im wahrsten Sinne des Wortes Abstand zu gewinnen. Statt zu klagen, ist vielleicht Schweigen angesagt, statt zu jammern schaue ich mal auf das Positive. Dieser Perspektivwechsel tut gut und ich sehe die Welt dann vielleicht nicht mehr grau in grau. Ich sehe das Bunte, das Farbenfrohe, erkenne die vielen Freiheiten, wo ich Leben, wo ich Kirche, wo ich in meiner beruflichen Tätigkeit gestalten und mitwirken kann. Werten wir die guten Seiten unserer Tätigkeiten auf: Was macht Freude? Was funktioniert gut? Eine Lösungsorientierung führt auch „im Kleinen“ zu einer anderen Sichtweise. Das Leben steckt voller Details, voller Kleinigkeiten und Wunder, die gar nicht klein, sondern großartig, ja manchmal wundervoll sind. Die kleinen Wunder an unscheinbaren Orten, wie gut tun sie.
Und – vielleicht wären wir ja in manchem etwas zufriedener, wenn wir hin und wieder etwas ver-rückter wären, wenn wir immer wieder etwas ver-rücken und eine andere Perspektive einnehmen würden. In diesem Sinne: „Betrachte einmal die Dinge von einer anderen Seite, als du sie bisher sahst; denn das heißt, ein neues Leben beginnen“ Viel Freude dabei!