Endlich leben

„Ich wollte endlich leben und dann starb mein Partner!“ – dieser Satz klingt noch in mir nach. „End-lich“ zunächst einmal ist das ein schönes Wort! Endlich habe ich es geschafft! Endlich Urlaub! Endlich ist die Hitze vorüber! Wer „endlich“ sagt, schaut auch zurück, vielleicht auf eine Durststrecke, vielleicht auf eine schwere Zeit, vielleicht auch einfach nur auf verflossene Zeit. Endlich, ich atme auf und es kann etwas Neues kommen. Es kommt etwas Neues!

Jedoch: Das Leben lässt sich nicht aufschieben. Wir haben nur die Wahl: es hier und jetzt zu leben – oder wir lassen es an uns vorüber gleiten. Unsere Zeit ist begrenzt, ist endlich. Wir können Dinge weder ewig lange aufschieben noch beliebig oft wiederholen. Je älter ich werde, desto mehr habe ich das Gefühl, dass das Leben davonfließt. „Zur Wahrheit unserer Existenz gehören unsere Begrenztheit und Verwundbarkeit. Ihr tiefster Stachel: unsere Sterblichkeit“ – so schreibt es Melanie Wolfers, Ordensfrau und Autorin in ihrem Buch „Trau dich, es ist dein Leben“.

Wir leben endlich …auch wenn wir unsere Endlichkeit am liebsten ausblenden würden. An nichts wollen wir Menschen so wenig erinnert werden wie an unsere Vergänglichkeit. Aber genau diese Erinnerung drängt sich gerade in diesen Tagen sehr deutlich in unseren Alltag. Die Natur ist im Übergang vom Herbst in den Winter und die Tage werden nach der Zeitumstellung kürzer. Die Blätter, die von den Büschen und Bäumen auf den Erdboden fallen sind schon lange zum Sinnbild dieser von Endlichkeit und Abschied bestimmten Jahreszeit geworden.

In einigen Tagen werden wieder viele Menschen unterwegs sein, allein oder mit der Familie, um die Gräber der Verstorbenen zu besuchen. Ob ich will oder nicht, ich komme nicht darum herum, der Tatsache wieder einmal ins Auge zu blicken, dass ich vergänglich bin, dass mein Leben end-lich ist.

Wir haben nicht unendlich viel Zeit und es gilt sein Leben bewusst zu gestalten – hier und jetzt. Wir grübeln über das, was gewesen ist, oder wir machen uns Sorgen, was werden wird. Damit aber verschenken wir einen großen Teil unserer kostbaren Lebenszeit, denn unser Leben geschieht immer nur JETZT und HIER. Es bleibt ein „endlich“ Leben. Und es gilt zu hoffen, dass es uns nicht so ergeht, wie ich es am Anfang geschrieben habe: Ich wollte endlich leben … Sie hat immer darauf gewartet, dass ihr Leben endlich anfängt, endlich besser wird und dabei ging es immer nur weiter!